Leben | Göteborg Bathing Culture

Tausche Utopia gegen verrückte(?) Idee

raumlaborberlin etabliert in Göteborg Badekultur, wo man (noch) gar nicht baden kann, und wagt damit eine Vorhersage für die Zukunft.

by Jan Zimmermann

Sie glauben nach eigenem Bekunden weder an Utopia noch lösen sie (immer) Probleme. Wer nun aber glaubt, die acht Architekten des Kollektivs raumlaborberlin seien völlig desillusioniert, der täuscht sich. Vielmehr müsste man ihre Arbeit als „postillusorisch“ bezeichnen. Dem Utopischen den Glauben zu verweigern bedeutet schließlich nicht zwangsläufig, sich mit hängenden Schultern und gesenktem Haupt dem unschönen Status quo zu ergeben. Vielmehr versucht raumlaborberlin, sich mit diesem in nüchterner Weise auseinandersetzen, um ihn dann jedoch auf höchst kreative Weise in neue, bisher ungeahnte Wege zu leiten. Ungeahnt, weil sie so unkonventionell und anders sind, dass man schon fast von einem träumerischen Moment sprechen könnte, an das im Vorhinein wohl niemand gedacht hätte. Und häufig bedeutet dieses In-die-Wege-Leiten eben genau das – keine fertige Lösung, sondern das reine Initiieren eines Prozesses.

Göteborg Bathing Culture

Beispiel gefällig? Raumlaborberlin gestaltet derzeit, als Teil einer größeren städtebaulichen Maßnahme, den sogenannten Jubilee Park für den Frihamnen-Hafen in Göteborg. Zunächst einmal erscheint die Parkidee seltsam, denn viel Grün gibt es auf dem Hafenareal nicht. Allerdings beobachteten die Architekten, dass dieser Ort, ähnlich wie ein Park, auf verschiedene spontane Arten wie Joggen, Gassi Gehen oder einfach Abhängen genutzt wird. Noch wunderlicher erscheint jedoch die Idee, in diesem Park eine ganz besondere Art des Zusammenseins zu etablieren: Badekultur. Und das, obwohl hier Baden aufgrund der Verschmutzung von Boden und Wasser gar nicht möglich ist. Noch nicht.

Prototypen mit Charakter

Bislang haben die Architekten eine Reihe von Prototypen fertiggestellt, die die verschiedenen Aspekte des Badens ausloten sollen, darunter zum Beispiel ein Strand und eine Sauna. Für jeden Teil des Projektes galt es dabei, die Erinnerung oder den Geist des Hafens zu wahren. Das beste Beispiel hierfür ist wohl die öffentliche Sauna: Eine in Wellblech gekleidete Struktur irgendwo zwischen Hafenkran und einer abstrakten kleinen, schrottigen Version des Kolosses von Rhodos. Mit anderen Worten: ein Bauwerk, das den industriell-maritimen Charakter des Hafens perfekt aufgreift. Das Problem mit dem dreckigen Wasser ist übrigens auch schon gelöst: In einem schwimmenden Pool kann man durch sauberes Wasser kraulen und gleichzeitig den Fluss erleben.

Kooperation

Das Erstaunlichste an den Ergebnissen von raumlaborberlin ist wohl, dass all diese Projekte in enger Zusammenarbeit bzw. im Dialog mit den vor Ort Betroffenen entstehen. Was wiederum ein Stückweit bedeutet, dass das enorme kreative Potential für diese Projekte, von denen vorher niemand zu träumen wagte, im Grunde in den „ganz normalen“ Leuten selbst schlummert, die dort zu Hause sind. Und in dieser starken Einbeziehung der „Locals“ von Anfang an vollendet sich auch der Ansatz eines initiierten Prozesses: Die Leute bringen ihre eigenen Vorstellungen auf den Weg und lernen im Prozess ihre Stadt, deren Dynamiken und Möglichkeiten kennen, zu verstehen und zu nutzen.

 

 

GÖTEBORG BATHING CULTURE is a project by raumlaborberlin

Francesco Apuzzo, Jan Liesegang

mit

Bruno Gonçalves, Christian Göthner, Eduardo Conceição, Florian Stirnemann, Jordane Coquart, Katharina Spagl, Maria Garcia Perez, Mariana Marques da Silva, Martina Blom, Sam Dias Carvalho

 

Projektdetails
Architekt: raumlaborberlin  
Status: Fertigstellung: 2015
Ort: Schweden
Land: Göteborg